Tochter und Enkelin von Marie Hoffmann besuchten Allerfähre

Gespräche über Kriegswochen, Fährhauses-Beschuss, Wiederaufbau und einen schönen Kirschbaum

Mit Irmgard Rieck, inzwischen wohnhaft in Bremen-Vegesack und ihrer Tochter Susanne Rieck kamen am Himmelfahrtstag Tochter und Enkelin der letzten Fährfrau an der Aller als besondere Gäste zur Solar-Allerfähre. Irmgard und Susanne Rieck hatten 1997 und 2000 die beiden Allerfähren auf den Namen  „Marie Hoffmann“ getauft. 79 Jahre nach Kriegsende und dem englischen Brückenschlag an der Fährstelle sowie der Vernichtung des alten Fährhauses schwelgten die 84-jährige Tochter der letzten Fährfrau, Fährleute und ein ebenfalls 84-jähriger Oterser in alten Erinnerungen rund um das Gast- und Fährhaus der Familie Hoffmann.

Im April 1945 wurde Hoffmanns Fähr- und Gasthaus durch englische Soldaten in Brand geschossen. Die 53. Welsh Division hatte an der Fährstelle die englische Kriegsbrücke gebaut und drang vier Wochen vor dem Ende des 2. Weltkrieges von hier aus nach Verden, in die Lüne-burger Heide und bis nach Hamburg vor. Fährmann Heinrich Hoffmann sen. kam bei den Kriegshandlungen durch Beschuss ums Leben. Sein Sohn war als Soldat im Krieg und seine Schwiegertochter Marie Hoffmann flüchtete mit der Tochter Irmgard nach Otersen.

Nach dem Krieg baute Marie Hoffmann mit Verwandten-Hilfe aus den Trümmern des alten Fährhauses ein kleineres Haus wieder auf.  Marie Hoffmann übernahm dann auch den Fährbetrieb und ruderte Fährgäste über die Aller, bis ihr Ehemann Jahre später aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause kam.

1967wurde der Fährbetrieb eingestellt. Im Rahmen des Aller-Leine-Oker-Planes wurde vom Land Niedersachsen in den Hochwasserschutz investiert, Deiche wurden erneuert. Das auf einer kleinen Anhöhe gelegene alte Fährhaus wurde abgerissen und die kleine Warft abgetragen, damit bei Hochwasser der Abfluss der Wassermassen ungehindert erfolgen kann.

28 Jahre später hieß es in Otersen bei einer Feier „Wäre doch schön,  wenn es die alte Fährverbindung wieder geben würde“. Was 1995 als fixe Idee galt, wurde dann am 30.4.1997 Wirklichkeit. Die neue Solar-Allerfähre wurde auf den Namen der letzten Fährfrau „Marie Hoffmann“ getauft. Taufpatin war vor 27 Jahren eine sichtlich bewegte Irmgard Rieck, der es eine besondere Ehre war, die Allerfähre auf den Namen ihrer Mutter taufen zu dürfen.

Am 1. Mai 1997 war dann der 1. offizielle Fährtag. Ziel war es, jährlich 3.000 Fährgäste von Mai bis zum 3. Oktober nur an den Wochenenden zu befördern. Gleich am 1. Fährtag wurden über 1.000 Fährgäste sicher über die Aller befördert. In der ersten Fährsaison wurde ein Rekord aufgestellt: Über 8.000 Fährgäste statt der 3.000 erhofften Gäste zog es zur neuen Solar-Allerfähre, die sich schnell als zu klein erwies. Am 1. Mai 2000 wurde dann die größere, 2. Allerfähre „Marie Hoffmann II“ in Dienst gestellt und von Susanne Rieck,  der Enkelin von Marie Hoffmann getauft. Beide Taufpatinnen kamen nun überraschend zu Besuch zu den Fährleuten und wurden vom Vereinsvorsitzenden Jens Brettschneider und weiteren Fährleuten freundlich begrüßt. Ein 84-jähriger Oterser gesellte sich dazu und Gesprächsthemen waren die letzten Kriegswochen 1945 und die späteren Jahre des Wiederaufbaus – aber auch das Kirschen pflücken, denn „am Fährhaus stand ein schöner Kirschbaum“. 

Als 5-jährige erlebte Irmgard Hoffmann damals mit, wie vier Kompanien der britischen Streitkräfte in Booten am 12. April 1945 die Aller am Fährhaus überquerten. Bei starker Strömung der Aller kenterte ein Boot und 13 britische Soldaten mit schwerem Gepäck ertranken in der Aller. Bald 80 Jahre später herrscht Idylle pur an der Fährwiese vor der herr-lichen Kulisse von St.-Annen-Kirche und Amtshaus. An die Fähr-Historie seit dem 16. Jahrhundert und die schlimme Kriegszeit erinnern nur die Informationstafeln im achteckigen Pavillion an der Fährstelle. (Foto rechts: Luftbild der britischen Kriegsbrücke im April 1945 – oben im Bild das Fährhaus – vor der Zertörung)